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  Kurzgeschichten | April 08
 
Vermeintliche Chatliebe


Sandra sass auf dem Fensterbrett in Ihrem Zimmer, das Fenster war geöffnet und kühle Abendluft drang in das kleine Zimmer. Sandra starrte einfach nur ins Abendlicht, welches sie von hier aus gut erkennen
konnte, atmete ruhig und dachte nach.
Sie war schon seid längerer Zeit verliebt gewesen, in einen jungen Mann im Alter von 23 Jahren. Kennengelernt hatte sie ihn über einen Chat, sie fand ihn anfangs doch... merkwürdig. Schnell jedoch, nachdem sie ihn einigermassen kennen gelernt hatte, wurde er ihr immer sympathischer. Wann es jedoch
mit der Liebe angefangen hatte? Nun ja, das kann sie selbst nicht mehr sagen.
Irgendwann hatte es auch mit diesen verliebten Botschaften á la 'Mein kleines süsses Kirschchen', 'Never wanna lose you' oder 'Hab dich endlos lieb' angefangen. Ungefähr da hatte Sandra angefangen, so
gut wie nur noch über ihn zu reden, über ihn, ihrer grossen Liebe.
Hätte sie jedoch gewusst, was aus all dem werden würde, hätte sie wohl den Kontakt schnellst möglich schweren Herzens abgebrochen.
Denn irgendwann hatten die Beiden sich getroffen, in einer Bar, in der Sandra mit ihrem zarten Make-Up und ihrer schmächtlichen Figur so gar nicht hinein passte - Er wollte jedoch so gerne dahin, also hatte sie
ihm den Gefallen getan.
Nun war sie also dagestanden, auffallend in dem Haufen knapp bekleideter Frauen und Männern, neben Sandra ihre grosse Liebe. Er hielt sie nicht an der Hand, Sandra hätte genau so gut nicht dort sein können.
Erst begrüsste er seine Freunde mit Handschlägen und schon bald kamen auch die ersten Mädels zu ihm,
begrüssten ihn Küsschen links, Küsschen rechts. Die eine hatte er sogar am Hintern hochgehoben, nur hatte Sandra das nicht mitbekommen - zum Glück, denn sonst wäre schon noch viel eher als sonst ihre Welt in sich eingefallen.
Irgendwann hatte Sandra sich ihr Make-Up auffrischen wollen, sie hatte das Gefühl, es sei verschwommen, denn in der Bar war es recht stickig, sodass man schwitzte. Also betrat sie die Toiletten, die sehr eigen gerochen hatten. Sofort wurde sie von anderen Mädchen angestarrt, die bereits drinnen waren und sich scheinbar gerade noch unterhalten hatten. Kurz nachdem begannen sie auch zu tuscheln - Sandra
fühlte sich sichtlich unwohl.
Dennoch ging sie zu einem Spiegel, der zwar leicht zersprungen, sonst aber sauber und heile war. Sie kramte nervös in ihrer Tasche nach ihrem Lippgloss, fand ihn auch ungefähr eine halbe Minute später. Zitternd und aus den Augenwinkeln her die anderen betrachtend, trug sie ihn auf ihren schmalen Mund.
Nachdem sich fast das Selbe noch einmal mit der Wimperntusche abgespielt hatte, schloss sie ihre Tasche und verliess die Toilette, unter verfolgenden Blicken, wieder. Sofort hielt sie Ausschau nach Jannis, ihr war
überhaupt nicht wohl inmitten von den vielen unbekannten Menschen.
Bald schon hatte sie ihn endeckt, jedoch anders, als sie es sich erwünscht hatte: mit einer anderen Frau. Die beiden sassen, küssend und innig ineinander verschlungen, etwas abseits gemeinsam auf einem der Stühle.
Sandra - geschockt, traurig, wütend - brach in stillen Tränen aus. Niemand blickte sie an, niemand schien sie zu bemerken. Vielleicht wollte sie ja auch niemand bemerken, sie weiss es bis heute nicht.
An dem Abend war sie in der kalten, dunklen Nacht noch allein nach Haus gerannt, jedenfalls mit einigen Umwegen, die sie lieber ausgelassen hätte. Denn überall waren ein paar betrunkene Strassenpenner, und Sandra hatte keine grossartige Lust gehabt, ihnen in die Arme zu laufen.
Heute also sitzt Sandra nun in ihrem Zimmer, am Fensterbrett, in Gesellschaft von sich selbst. Noch immer liebte sie Jannis, noch immer. Doch nachdem sie ihn ein einziges Mal noch kontaktiert hatte, hatte er geblockt, meinte, das alles mit ihnen beiden wäre Just for Fun gewesen und dass
er nichts von ihr wolle.
Der ganze Schmerz, den Sandra fühlte, konnte niemand ausser ihr beschreiben, denn niemand anderem hatte sie davon erzählt. Es hätte ja sein könne, dass sich das alles irgendwann wieder hin biegen würde...
Tat es aber nicht. Alles war nutzlos, all die Tränen, all die Schreie, all die Gefühle, alles, sogar das Leben...
ohne Jannis. In Sandra bäumte sich der in sich hinein gefressene Schmerz auf, als sie nun so dort am Fenster sass.
Er bäumte sich auf, lähmte ihre Gedanken, bewegte ihren Körper - ihren Körper in eine Richtung, den ihre Seele schon zu oft einschlagen wollte. In Richtung Erlösung, Richtung Tod...
Am nächstem Morgen stand bloss ein kleiner Bericht über ein 15-jähriges Mädchen in der Zeitung, welches
unerklärlicher Weise Suizid begangen hatte...


 
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